Tom Hörner
Klar, man müsste in diesen Tagen über die Hitze schreiben, setzt sie doch auch dem Hirn zu und lässt so manche Kurznachricht komisch erscheinen. „Öffentliche Grillstellen wegen Brandgefahr gesperrt“, textet die Stadt Stuttgart diese Woche auf Twitter. Den routinierten Griller stürzt der Satz in eine Sinnkrise. Besteht der Zweck einer Grillstelle nicht gerade darin, dass es dort brennt?
Eigentlich habe ich anderes zu tun, als mich mit Brandherden herumzuschlagen. Ich soll eine Rede auf einer Hochzeit halten. Nicht zu lang, nicht altbacken, zeitgemäß. Hier ein Entwurf:
„Liebes Brautpaar, liebe Festgäste, bevor ich den beiden jungen Leuten alles Gute wünsche, lassen Sie uns kurz über den Begriff ‚Brautpaar‘ nachdenken. Keine Frage, wir haben es hier mit einer Braut zu tun. Aber sitzt an ihrer Seite nicht auch ein Bräutigam, ein junger Mann im feschen Anzug? Wo, so frage ich euch, taucht der bei ‚Brautpaar‘ auf? Im Moment mag das niemanden stören, aber ist so eine Ehe nicht auch als Langzeitprojekt gedacht? Womöglich ist ‚Braut‘ jener mikroaggressiv-aufgeladene Keim, der Jahre später seine verletzende Wirkung entfalten wird.
Deshalb, liebe Gästinnen, liebe Gäste, vergessen wir das bisher Gehörte. Liebe Frischvermählte, es ist schön, hier einem Fest zweier Menschen beiwohnen zu dürfen, die beschlossen haben, den Lebensweg auf Augenhöhe miteinander zu gehen. Hier hat ein junger Mensch nicht auf altmodische Art um die Hand einer jungen Frau angehalten. Er hat Realitätssinn an den Tag gelegt und tat es so: ,Kannst du dir vorstellen, die nächsten Jahre mit mir zu verbringen, gemeinsam mit mir Kinder in die Welt zu setzen, die ich Jahre später dann jedes zweite Wochenende sehen darf?‘
Aber auch Sie, liebe Hochzeitsgästinnen und -gäste, haben, wenn der Blick auf den Präsenttisch nicht täuscht, Realitätssinn bewiesen: Ich sehe Gasflaschen, Solarpanels, kurzum alles, was ein junges Paar braucht, um durch den Winter zu kommen. Offenbar hat sich herumgesprochen, dass die Verheirateten in Erwartung sind. Nein, um Kinder geht es noch nicht. Die Rede ist von einem Elektroauto, was einem Scherzbold zu Ohren gekommen sein muss, weshalb er aus der Nordsee etliche Kilo Watt angeschleppt hat. Bei so viel Frohsinn bin ich trotz angespannter Weltlage guten Mutes, dass dem jungen Glück nichts im Wege steht.“
Bin mir nicht sicher, ob ich mit der Rede ins Rennen gehe. Sollten Sie, liebe Leserinnen und Leser, auch eine Hochzeitsrede halten müssen, Sie dürfen sich gern bedienen. Falls es schiefgeht, lassen Sie am besten die Quelle weg.