Dies Woche leuchtete das ganze Land in sanftem Orange. Millionen physiognomisch zurechtgeschnitzter Kürbisse gossen bei den Feiern des Halloween-Fests ihr sakrales Licht aus. Sogar von der Weltraumstation ISS aus war das Schimmern zu sehen. Er habe angesichts der blindwütigen Begeisterung für entkerntes Gemüse wieder gemerkt, wie dünn der Firnis der Kultur und Vernunft unserer Zivilisation sei, meinte einer der Astronauten.
Der rituelle Gebetsruf „Süßes oder Saures“ führte aber auch zu Missverständnissen. Psychologen wiesen darauf hin, dass man an die Betenden immer Schokolade, aber auf keinen Fall essiggetränkte Schwarzwurst ausgeben sollte. Sonst drohten Vorgänge wie die legendäre Horrornacht von Braunschweig oder die Snickers-Morde in Brandenburg.
Die größte Halloween-Party in Berlin fand wie immer im Wirtschaftsministerium statt, wo der Ressortchef neben Süßem und Saurem auch Scharfes und Flüssiges bereitgestellt hatte. Sein traditioneller Kürbisauflauf in der Wanne mit pikanten Schweinskaldaunen, extraschweren Gnocchi und einer Beilage aus Birnenpudding und Schmachtlappen wurde mit 200 Flaschen Rotwein heruntergespült.
Anderntags fanden die Reinigungskräfte mehrere hochrangige Beamte, deren orangefarbene Gesichter von innen mit einem Restalkohol von bis zu drei Promille beleuchtet waren.
Politik und Gesellschaft sehen diese Kürbisprozessionen hingegen kritisch. Olaf Scholz zum Beispiel: „Millionen Menschen müssen täglich entscheiden, ob sie süß, sauer oder süßsauer essen können. Das sind doch die wahren Helden unserer Zeit.“
Uli Hoeneß: „Kinder sollen nicht so viel Süßes essen. Das macht krank. Wenn ich das damals gemacht hätte, wäre ich heute fett wie ein Pudding.“
Mark Zuckerberg: „Süßes oder Saures? You make me laugh. Mit unserer Datenbrille kannst du zwischen drei Millionen virtuellen Gemüse-Horrorfilmen wählen. Und übrigens: Ich sehe genau, was ihr Journalisten in der Pause so in euch reinfresst.“
Christian Lindner: „Süß oder sauer – das kann nicht vom Staat verordnet werden. Wir setzen auf Anreize. Aber Halloween bleibt ein Bekenntnis zur transatlantischen Partnerschaft.“
Annalena Baerbock: „Diese Gleichsetzung von Süßem mit Saurem halte ich für brandgefährlich, denn bei den Querdenkern rieche ich den sauren Atem der deutschen Geschichte.“
Elke Heidenreich: „Kennen Sie ein einziges Gedicht von Joseph von Eichendorff, in dem es um Gemüse geht? Die Jugend hat doch keine Sprache mehr! Jetzt brüllen sie ,Süßes oder Saures‘ – jeder Kürbis kann bessere Reime schnitzen. Widerwärtig!“
Ende der Woche wurde das Licht aus den zahllosen Kürbissen der Republik dann wieder schwächer.