Uwe Bogen
Zum VfB kam Nationalspieler
Serge Gnabry
, der 1995 in Stuttgart geborene Sohn einer schwäbischen Mutter und eines von der Elfenbeinküste stammenden Vaters, als der OB seiner Geburtsstadt noch
Wolfgang Schuster
hieß – damals war der heutige Bayern-Star gerade mal zehn Jahre alt. Auf Weihnachtsurlaub besucht der Mittelfeldspieler, der in 31 Länderspielen 20 Tore für Deutschland geschossen hat, seine Heimat. Seine Eltern leben in Weissach. Im La Commedia sitzt er vergnügt mit Freunden am Tisch, freut sich auf den Fisch in der Salzkruste, als man ihn fragt, ob er sich mit dem Stuttgarter OB fotografieren lässt. „Ja gern, wenn es der echte OB ist“, antwortet Gnabry und lächelt. Einer wie er hat schon viele Fake News von Selfie-Jägern gehört.
Ja, es ist der richtige.
Frank Nopper
(CDU), der gerade in seinem Weihnachtsurlaub daheim fürs Comeback des Riesenrads vorm Neuen Schloss im nächsten Herbst getrommelt hat, ist an diesem Abend, der um 22.30 Uhr wegen der Sperrstunde enden muss, mit Ehefrau
Gudrun Nopper
und einem befreundeten Ehepaar ebenfalls Gast in dem italienischen Restaurant im Hospitalviertel.
Der Fußballstar, der in München lebt und davor für Arsenal in London spielte, wusste nicht, wer der OB von Stuttgart ist. Damit im Lokal der Wirte
Piero Cuna
und
Luigi Aracri,
denen in der für die Gastronomie schwierigen Zeit der unangekündigte Promiaufmarsch gut tut, die anderen Gäste nicht noch mehr starren als ohnehin schon, gehen wir hinter den Vorhang zum Renitenz-Theater. Kaum haben Nopper und Gnabry festgestellt, dass sie über Gemeinsamkeiten verfügen (beide spielten einst auf der Waldau Fußball, der OB als Schüler für den TUS, der Torschütze für die Kickers, und beide waren an Corona erkrankt), entspannt sich ein Gespräch, das nicht an der Oberfläche bleibt.
Impfung, die massive Kritik an Bayern-Star
Joshua Kimmich
, die Rolle der Medien dabei, die schlechten Rasenverhältnisse in Stuttgart, Wünsche fürs neue Jahr – dies sind die Themen, die ein junger und ein älterer Stuttgarter nun zu besprechen haben. Der eine ist 26, der andere 60 Jahre alt.
„Wann ist bei euch Sperrstunde?“, fragt Gnabry. In München sei sie um 22 Uhr. Die Stuttgarter haben eine halbe Stunde mehr.
Seine zufällige Begegnung mit dem OB nutzt der Bayern-Star gleich mal, um eine Beschwerde loszuwerden. Der Rasen in der Mercedes-Benz-Arena, sagt er, sei eine Zumutung. Gegen diesen Acker müsse die Stadt was tun, findet Gnabry. Nach dem 5:0-Sieg der Bayern gegen den VfB Mitte Dezember hatte sein Trainer
Julian Nagelsmann
vermutet, die Schwaben hätten den Platz vorm Anpfiff „gekämmt“. Die Grashalme seien länger gewesen als in anderen Stadien: „Das ist oft ein Indiz dafür, dass der Platz nicht gut ist.“
Frank Nopper erzählt, dass er im letzten Sommerurlaub in Frankreich einen Anruf auf dem Handy von
Oliver Bierhoff
bekam. Der DFB-Manager habe ihm gesagt, dass der Rasen im Waldau-Stadion zum Training des deutschen Teams nicht tauge. Da müsse schnell was geschehen. Schließlich steigt die Nationalmannschaft bei ihren Stuttgart-Besuchen stets im Waldhotel ab und trainiert bei den benachbarten Kickers. Der miese Rasen ist also nicht allein ein VfB-Problem.
„Das Waldhotel ist 1a“, lobt Gnabry, der bei Instagram zweieinhalb Millionen Follower hat, aber immer schön sein Privatleben dabei raushält (nur seine Freundin, ein Model aus Zürich mit polnisch-äthiopischen Wurzeln, postet gelegentlich ihr Liebesglück).
Dann will der 26-jährige Offensivstar wissen, was der Stuttgarter OB von der massiven Kritik hält, die seinen Kollegen Kimmich traf, als sich dieser nicht impfen lassen wollte. „Impfen ist natürlich wichtig“, findet der CDU-Politiker, „aber was auf Kimmich eingeprasselt ist, war zu heftig.“ Nopper beklagt eine „Skandalisierung der Medien“. Gnabry, der selbst an Corona erkrankt war und sich deshalb erst im November impfen lassen konnte, pflichtet ihm bei. Er fand die Kimmich-Attacken nicht gut. Der Journalist gibt zu bedenken, dass für Skandale andere sorgten und es Aufgabe der Medien sei, diese aufzudecken und darüber zu berichten.
Serge Gnabry ist ein Sohn der Stadt und steht mit seinem westafrikanischen Vater für Stuttgarts Diversität. In London wurde er mit 17 als „German Wunderkind“ gefeiert. Frank Nopper sagt, wie stolz Stuttgart auf seine Nationalspieler ist. Und Gnabry, der mit Bayern schon alle Titel geholt hat, sagt, worauf er sich im neuen Jahr am meisten freut: „Auf die WM!“ Da will er’s wissen!
Das Gespräch endet, weil die beiden zurück an ihre Tische gerufen werden. Das Essen kommt! Viel Zeit bleibt nicht. Um 22.30 Uhr ist Schluss. Wirt Luigi Aracri ist später überrascht, dass es „keinerlei Probleme“ mit dem Zapfenstreich gibt. Seine Gäste zahlen rechtzeitig, gehen pünktlich von allein. Keinen muss er an einem vielleicht kurzen, aber schönen Abend rausschmeißen. Die Gastronomie ist zum Glück doch nicht am Ende, sondern ermöglicht noch fröhliche Stunden.